Menschen & Medien: Wie erzählt man einen Witz?

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Von Lukas Vogelsang – Sie ken­nen es: Da ist an jeder Party immer so ein unmög­li­cher Typ, der sei­ne Witzesammlung los­wer­den muss. Er lacht immer vor der Pointe, klopft sich dau­ernd auf die volu­mi­nö­sen Schenkel und sab­bert ihnen ins Glas. Vom säu­er­li­chen Achselschweisshemd reden wir gar nicht. Aber die Klischees geben wir ihm sowie­so – ob sie stim­men oder nicht -, es passt ein­fach. Denn wenn sol­che Typen auf­tau­chen, erstarrt jedes kal­te Buffet in ark­ti­scher Unsichtbarkeit. Das ist nicht lustig, ganz und gar nicht.

Nun, die­se Gattung Mensch scheint sich zu ver­meh­ren wie die Algen im Murtensee. Vielleicht ist es ein Virus. Ganze Berufsgruppen sind bereits davon betrof­fen. Nach den Meteorologen, der IT- und der Telekommunikationsbranche sind auch die JournalistInnen infi­ziert. Sie wis­sen alles im Voraus, sind frag­los intel­li­gent und bewie­sen treff­si­cher – und lustig auch noch.

Und dann kam der Schnee. Bereits am Montag, 16. Februar, ging ein Raunen durch die Schweizer Medienlandschaft: «Der Schnee kommt. Gefährliche Gefahr. Buh, hal­tet euch fest und bleibt zu Hause… Der böse Schnee kommt…» Tja, und dann kam, was kom­men muss­te: Nur die Hälfte. Das Unwetter von Schneemassen wur­de mehr oder weni­ger zu einem nor­ma­len Schneegestöber und es war alles wie­der weiss – so wie Wochen zuvor eben­so. Klar, ein paar Strassen waren etwas mehr bedeckt wor­den. Aber ’tschul­di­gung: Es ist eben Winter. Die Schnellbrütermedien bemüh­ten sich um die Publizität einer Naturkatastrophe. Vorbildlich ver­hielt sich das Tamedia-Newsnetz, wel­ches einen jun­gen, spie­len­den Hund im Schnee zeig­te (Hä?/Anmerkung der Redaktion). Die Schweiz war für den Schneekampf gerü­stet.

Am Katastrophentag selbst mein­te Thomas Bucheli in den Nachrichten von DRS, dass sich das Wetter jetzt beru­higt habe – doch der Verkehrsdienst gleich anschlies­send ver­mel­de­te, dass der Lastwagenverkehr bes­ser nicht mehr durch die Schweiz fah­ren soll­te, da über­all Schnee auf den Strassen lie­ge. Was jetzt? Alle Bilder, die ich an die­sem Tag zu Gesicht bekam, zeig­ten weni­ger Schnee, als ich am Morgen im Seeland vom Dach mei­nes Autos schau­fel­te.

So gemein! Sie hat­ten sich vor­be­rei­tet, hät­ten Sensationen berich­ten kön­nen, zapf­ten alle Web-Cam-Bilder aus der Schweiz an, um über­all prä­sent zu sein. Und die Schweiz wäre im Schnee fast erstickt! Doch nichts davon geschah. Und dass in der Zwischenzeit der SMI (SwissMarketIndex) zum ersten Mal in fünf Jahren unter 5’000 Punkte sank, inter­es­sier­te nur am Rande. Wenngleich dies für das Wohl der Schweiz wich­ti­ger gewe­sen wäre.

Die Tagesmedien sind schlech­te Witzerzähler. Sie soll­ten sich lie­ber wie­der auf die wirk­li­che Darstellung der Dinge als auf deren Interpretation fokus­sie­ren. Darstellen heisst dann auch, vor Ort sein, sich ein Bild machen, um die­ses wei­ter­zu­ver­mit­teln. Es reicht nicht, wie ein Marketinginstitut, ses­sel­wär­mend Informationen aus dem Telefonhörer zu quet­schen, die man sich vor­be­rei­tet hat. Das Fleisch und Blut ist draus­sen – es liegt nicht auf dem Schreibtisch.

Lustig im Schneegestöber war ein­zig Philipp Gerber von DRS3 mit einer Bastelanleitung für einen Schneemann, eine ziem­lich miss­glück­te Mission, mit einer ehr­li­chen Prise Selbstironie. Doch er bleibt wohl ein Einzeltäter, denn für die Medien sind unse­re BundesrätInnen Schneemannen und –frau­en gewor­den. Und es ver­geht kein Tag, ohne dass die Medien bes­ser wis­sen, wie man die Welt regiert – statt Selbstironie folgt täg­lich eine Rücktrittsforderung. Wo bleibt da der Witz?

Bild: zVg.
ensuite, März 2009

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