Rechts schies­sen, links schrei­ben – «Billi dr Bueb» von Andreas Debatin, Matto Kämpf und Raphael Urweider

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Von Sarah Stähli - Ein Gespräch mit Matto Kämpf eine Woche vor Probenbeginn

Gerber: Guete Abe. Wär Ohre het söu lose, wär Ouge het söu lue­ge. Wär Wind säit, wird Sturm ärn­te. (geht zu Billi, packt ihn am Schlawittchen) Da bisch du Cheibli. Bisch mer ab, he? Du Sougoof. Itz wärsch fasch drah­cho. Kennsch mi no?
Billi: (nickt) Dr Pfarrer Gärber.

Gerber: Wie män­ge hesch töt?
Billi: Nün
Gerber: (ohr­feigt ihn) Sougoof. Schäm di. Was si mer, Billi? Was si mer?
Billi: Mir si Wiedertäufer.
Gerber: Tüä mr ange­ri Lüt töde?
Billi: Nei, fröm­mer aus Gott säu­ber.
Gerber: Äbe. Itz isch fer­tig. Itz chunnsch zue mer. U losisch mer zue u tuesch fouge. Chumm Billi, stah uf, lue, s’het Zwieback zum Ässe u Mieuch zum Trinke. Tue chnö­i­lä. I muess di tou­fä Billi, im Name vom Vatter im Himmu. Tue mer nache rede: Nie meh wott i d Pistole bruche/ u miner Finde gärn ha/ we mi eine chl­äpft darf er grad no mau/ u we eine z Hemli wott cha ner d Hose o no grad ha. Versprichsch mer das? (Billi nickt) Lut.

Ein Outlaw, ein jun­ger Wilder, einer, der sich durch sei­nen Revolver aus­drückt. Sam Peckinpah ver­ewig­te ihn im Film, Bob Dylan schrieb den Abgesang «Knocking on Heavens Door» für ihn, der Mythos besagt, er habe in sei­nem kur­zen Leben 22 Menschen umge­bracht. Die Rede ist von der Westernlegende Billy the Kid. Der Schriftsteller Michael Ondaatje sah in ihm gar einen unent­deck­ten Poète mau­dit und schrieb «The Collected Works of Billy the Kid». Billy als Rimbaud des Wilden Westens, «einer, der rechts schiesst und links schreibt».

Nun soll die­ser Billy also auch auf der Bühne sei­nen Auftritt bekom­men. Die Berner Autoren Matto Kämpf («Safari», «Posse Royal») und Raphael Urweider («Das Gegenteil von Fleisch») haben zusam­men mit Andreas Debatin («Wildnis») das Stück «Billi dr Bueb» geschrie­ben. Am Anfang stand Debatins Idee, einen Western zu machen, einen Theaterwestern. Bühnendeutsche Dialoge im Saloon? Das schien dann doch zu gekün­stelt. Matto Kämpf such­te nach einem Schweiz-Bezug und stiess auf die Wiedertäufer, eine stren­ge Religionsgemeinschaft aus dem Emmental, deren Anhänger gröss­ten­teils in die USA aus­ge­wan­dert sind. Die in den USA immer noch weit ver­brei­te­te Gemeinschaft der Amischen, eine noch radi­ka­le­re Abspaltung der Wiedertäufer, wur­de vom Täuferprediger Jakob Ammann aus dem Niedersimmental gegrün­det. Ammanns Motto «Die mit Haken und Ösen wird der Herr erlösen/ Die mit Knöpfen und Taschen wird der Teufel erha­schen», das Billi im Stück ein­mal zitiert, gilt bei den Amischen noch immer, sie leh­nen die mit der fran­zö­si­schen Mode auf­ge­kom­me­nen Knöpfe ab und hal­ten ihre Kleider aus­schliess­lich mit Haken zusam­men. «Völlig absurd» meint Kämpf, «wit­zig wird das Ganze erst aus der histo­ri­schen Distanz». Während der Recherche, die ihm sicht­lich Spass gemacht hat, stiess er auf zahl­rei­che sol­cher skur­ri­ler Geschichten. In Bern, Indiana einer von Täufern gegrün­de­ten Siedlung, wur­de zeit­wei­lig Öl,.… In die­ser Siedlung könn­te auch das Stück «Billi dr Bueb» spie­len. Die Figuren sind jedoch nur in unge­fähr an die Legenden ange­lehnt. Aus «the Kid» wird ganz ein­fach «dr Bueb» und aus Billis Gegenspieler Pat Garrett der Wiedertäuferprediger Pädu Gerber. Spannend am Mythos Wilder Westen fin­det Kämpf auch das Völkergemisch, das sich in dem gros­sen Siedlergebiet ergab: Russen, Holländer und eben auch Schweizer. Die mei­sten Siedler besas­sen nach dem Bürgerkrieg Waffen, auto­ma­tisch ent­stand ein Freiraum, in dem ein­zig die Sprache des Gewehres gespro­chen wur­de. Der Wilde Westen als «Märchenland und Abenteuerspielplatz mit Cowboys und Indianern, Saloons und rol­len­den Büschen». Ein Ort, wo das Gesetz des Stärkeren herrscht und gerech­te Rache aus­ge­übt wird, wo «Gut und Böse» nicht ein­fach nur lee­re Worte sind.

«Billi dr Bueb» ist ein Geflecht aus ver­schie­de­nen Stilen, «es beinhal­tet sogar zwei unter­schied­li­che Versionen von Berndeutsch!» Matto Kämpf schrieb die Dialoge, Andreas Debatin die Lieder und Raphael Urweider die lyri­schen Teile, Billis und Gerbers Monologe. Diese Vermischung macht das Stück leben­dig und trotz der unter­schied­li­chen Ausdrucksweise, wird es zu einem ein­leuch­ten­den Ganzen.

Für einen kur­zen Cameo-Auftritt als «tru­ri­ge Mexikaner» kommt ein wei­te­rer Berner Autor dazu: Pedro Lenz. Auch er wird noch einen Text bei­steu­ern. «Billi dr Bueb» wird also auch zu einer Art Showdown der loka­len Sprachcowboys.

«Die Zorros» eine Formation, bestehend aus Olifr Maurmann, Patrick Abt und Frank Heierli, wird als aku­sti­sches Country Combo samt «Stündeler-Sektenorgel» auf­tre­ten und es sich im Saloon gemüt­lich machen. Die Inszenierung kommt bis jetzt noch ohne Johnny Cash aus «ein Western-Projekt ohne Johnny Cash, das ist schon fast wie­der eine Leistung!» – dafür mit einer «züri­düt­schen» Version von Leonard Cohens «I’m Your Man».

Das Bühnenbild wird wohl ganz schlicht sein: «So mit aus Karton aus­ge­schnit­te­nen Kakteen». «Billi dr Bueb», eine Mischung aus histo­ri­schen Fakten, Western-Klischees und Revue. «Obwohl auch Klamauk geplant ist, ist das Projekt kei­nes­falls als eine das Genre ver­ball­hor­nen­de Westernklamotte gedacht. Es wird die Geschichte einer Freundschaft erzählt, wel­che zer­bricht und schliess­lich zum unab­wend­ba­ren Duell führt.» Im Spielplan des Schlachthaus Theaters wird das Stück fol­gen­der­mas­sen ange­prie­sen: «Mit «Billi dr Bueb» wird ein­mal mehr die Frühreife gewis­ser Emmentaler und der zivi­li­sa­to­ri­sche Einfluss der Religion bewie­sen. Ein Meisterwerk des Erziehungstheaters!»

Bilder: zVg.
ensuite, Mai 2005

 

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