Wie wirkt Werbung? Und war­um nicht?

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Von Klaus Bonanomi - Mein Lieblings-Werbespot geht so: Eine abge­le­ge­ne Strasse in den Bergen. Ein Auto ist am Strassenrand par­kiert, direkt am Abgrund. Ein Mann im Trainingsanzug steht dane­ben, drückt kräf­tig gegen das Auto, doch es bewegt sich nicht. Da kommt ein wei­te­res Auto gefah­ren, ein fröh­li­cher Rasta steigt aus, packt an, und das par­kier­te Auto lan­det im Abgrund. Fröhlich pfei­fend fährt der Rasta wei­ter, die Kamera schwenkt zurück auf den ver­zwei­fel­ten Besitzer des ver­schwun­de­nen Autos: Dieser woll­te sei­nen Wagen doch gar nicht in den Abgrund schie­ben, son­dern bloss, an sein Auto gestützt, nach dem Joggen sei­ne Dehnungsübungen machen…

Doch wofür wirbt der Spot? Braucht der arme Held des Spots nun einen wirk­sa­me­ren Fitnessdrink oder ein neu­es Auto, eine kulan­te Versicherung oder einen bes­se­ren Mobilfunk-Anbieter, damit sein Handy auch in den Bergen Empfang hat? Ich weiss es nicht mehr. Mit andern Worten: Der Anbieter eines Autos, eines Handys, einer Versicherung oder eines Fitnessdrinks hat viel Geld auf­ge­wen­det, um einen Kinospot zu pro­du­zie­ren und aus­strah­len zu las­sen, ohne dass er zumin­dest bei mir eine Werbewirkung ent­fal­tet hät­te. Ich habe mich zwar 20 Sekunden amü­siert, aber das allein kann ja nicht das Ziel sein: Ich soll­te doch durch den Spot dazu ani­miert wer­den, das betref­fen­de Auto oder den Fitnessdrink zu kau­fen, eine Versicherung abzu­schlies­sen oder zu einem neu­en Handy-Anbieter zu wech­seln.

Oder habe ich etwa unbe­wusst mani­pu­liert durch den raf­fi­nier­ten Spot kürz­lich doch den Fitnessdrink einer bestimm­ten Marke gekauft…?

Werbung wirkt mei­stens; sonst wür­de die Schweizer Wirtschaft nicht mehr als fünf Milliarden Franken pro Jahr auf­wen­den, um mit Spots, Inseraten und Plakaten für ihre Produkte zu wer­ben und uns an unse­re staats­bür­ger­li­che Pflicht zu gemah­nen, zu kon­su­mie­ren und für Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze zu sor­gen. Natürlich gibt es gibt es wirk­sa­me­re und weni­ger wirk­sa­me Werbung; wer eine zün­den­de Idee hat, ein gutes Konzept und einen prä­gnan­ten „Claim“ wie etwa Ricola („Wer hat’s erfun­den? Die Schweizer! Ricolaaaa…“), erzielt nicht nur einen Lacher im Kino, son­dern auch mehr Wirkung, als wer eine Idee aus krampf­haf­ter Originalität über­stra­pa­ziert. Ein Beispiel dafür: Die RailCity-Werbung. „Bonsai-Elefanten kön­nen Sie bei uns nicht kau­fen. Alles ande­re aber schon“ mag ja ori­gi­nell sein; wenn aber auf dem näch­sten Plakat steht: „Heilige Strohsäcke kön­nen Sie bei uns nicht kau­fen…“, dann wird der Konsument für dumm ver­kauft: Hat man ihm doch soeben gesagt, dass es im RailCity alles gibt aus­ser Bonsai-Elefanten, und nun merkt er, dass es dort auch kei­ne hei­li­gen Strohsäcke gibt!

Werbung sei Information, sagen ihre Apologeten: Nur wenn das Publikum über die Vorzüge und Nachteile eines bestimm­ten Produkts oder einer bestimm­ten Marke infor­miert sei, kön­ne es einen bewuss­ten Kaufentscheid fäl­len. Mit die­sem Argument hat mir ein erfah­re­ner Werber kürz­lich begrün­det, war­um Zigarettenwerbung nicht zum Rauchen ani­mie­re… Die Zigarettenwerbung die­ne ledig­lich dazu, die Marke X und die Marke Y bes­ser zu posi­tio­nie­ren, sagt der Nichtraucher Piero Schäfer, Kommunikationschef des Verbandes Schweizer Werbung und pro­fes­sio­nel­ler Kämpfer gegen Tabak-Werbeverbote, wie sie in der EU und auch in etli­chen Schweizer Kantonen beschlos­sen oder zumin­dest geplant sind. Nur: Der Informationsgehalt der durch­schnitt­li­chen Zigaretten-Werbung liegt nahe Null und besteht im wesent­li­chen aus den gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen Angaben über den Nikotin- und Teergehalt; vor allem aber wird die Message ver­mit­telt, wie cool es ist, zu rau­chen.

Wenn die Tabakwerbung nur dazu die­nen wür­de, die ver­schie­de­nen Marken im Markt zu posi­tio­nie­ren, dann könn­te sich die Branche ihre jähr­li­chen Werbeausgaben von fast 60 Millionen Franken getrost spa­ren. Denn der Schweizer Markt wird im wesent­li­chen von zwei Grosskonzernen beherrscht, und die beschei­de­nen Marktanteils-Verschiebungen, die durch die Werbung aus­ge­löst wer­den, fal­len kaum ins Gewicht und heben sich gegen­sei­tig in etwa auf. Nein, es geht dar­um, genü­gend Nachwuchs zu sichern, da in der Schweiz jähr­lich 8000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums ster­ben und es also jähr­lich 8000 neue RaucherInnen braucht, damit der Absatz wei­ter­hin garan­tiert ist!

Zwar hat sich die Branche frei­wil­lig dazu ver­pflich­tet, nicht in der Nähe von Schulhäusern zu wer­ben und ihre Werbung nicht direkt an Jugendliche zu rich­ten. Dies hat mir gegen­über eine Sprecherin des Bundesamtes für Gesundheit so kom­men­tiert: „Die Botschaft ‚Rauchen ist Erwachsenensache’ ist ver­mut­lich die effek­tiv­ste Strategie, um Kinder und Jugendliche dazu zu bewe­gen, mit dem Rauchen anzu­fan­gen!“

Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch

ensuite, November 2004

 

 

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