Parfümierte, wort­rei­che, hand­lungs­ar­me Buchrezensionen

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Es gibt ganz, ganz gros­se Bücher und Autorinnen und Autoren. Wenn Bücher nicht wären, ich hät­te der Welt schon längst den Rücken gekehrt. Es sind Bücher, die mir die Hoffnung in gute Menschen bewah­ren – selbst bei sehr, sehr, sehr bösen Schreiberinnen oder Geschichten. Das schlech­te Menschenbild krieg ich nur bei Literaturkritikern, beson­ders im Literaturclub im Schweizer Fernsehen. Wie kommt – meist die Moderatorin oder Elke Heidenreich – nur auf die OBERGRAUSAMIDIOTISCHEBLÖDSTE Idee, den Plot, die Handlung, die Akteurinnen eines Buches nach­zu­er­zäh­len und zwar so, dass jedes genia­le Buch sofort GROTTENSCHLECHT wird?

Ehrlich. Shakespeare im Literaturclub? Meine Fresse! Allein bei der Vorstellung wird mir schlecht:

shakespeare-for-kids-croppedFotomontage by Will Dahlgreen @willdahlgreen

„Wie es Euch gefällt“: „Ein kom­plex-naiv-ober­fläch­li­ches Miteinander-Treiben, bei dem sich zum Schluss alle glück­lich ver­lie­ben.“ Hamlet: «Eine lang­wei­li­ge Geschichte eines Selbstmordattentäters inner­halb der eige­nen Familie.» Macbeth: «Archaisches Hexenwerk, das äus­serst unrea­li­stisch einen König dazu treibt, König von Schottland wer­den zu wol­len.» Romeo und Julia: „Teenager-Fantasie eines altern­den Schriftsteller. Nach kli­schee­haf­ten Sexszenen ster­ben bei­de am Schluss.“ Letzteres Beispiel zeigt, dass nicht nur die Nacherzählung vie­ler Kritiker und Kritikerinnen Schrott ist, son­dern fak­ten­reich falsch. Schlussfazit zu Shakespeare wäre dann: „Ein Autor, der – völ­lig roy­al fixiert – in Blut, Rache, Sex und Wahnsinn badet. Nicht emp­feh­lens­wert.“

Wer Bücher zusam­men­fasst, soll­te mit Verleumdungsklagen über­häuft wer­den. Bücher sind dazu da, gele­sen und inter­pre­tiert, nicht von einem Warmduscherhirn schlecht zusam­men­ge­fasst zu wer­den. So macht man aus einem wirk­lich „ground­brea­king“ Werk eine abge­fuck­te Fiktion, sau­schlecht erzählt von erb­sen­zäh­len­den Kleingeistern. Maxim Biller, der jede Runde mit sei­ner Bösartigkeit erhei­tert, weiss, wie Literaturkritik geht. Selbst wenn er Autoren und Bücher in der Luft zer­reisst, lässt er genü­gend Raum, dass sich nach sei­ner Kritik jeder und jede das Buch erst recht lesen will. Und sei es nur, um Biller zu wider­spre­chen. Kennen Sie schon Billers Thomas Mann-Kritik?

“Parfümierte, wort­rei­che, hand­lungs­ar­me Ideenromane, die des­halb von den Deutschen geliebt wer­den, weil die­ser Mann [Thomas Mann] genau­so ein Heuchler war wie sie selbst.”

Grossartig, nicht? Und ja klar: Da muss man Mann lesen!

Bücher rezen­sie­ren ist ganz ein­fach: Es geht nicht um Plot, son­dern um die Leserin und den Leser. Bücher sind wie Sie und ich. Wir wür­den uns auch weh­ren, jemand käme und erzähl­te unse­re Geschichte! Menschen kön­nen über ande­re Menschen nicht punk­to Plot, son­dern nur punk­to Eigeneindruck spre­chen. Also: Beherzigt dies end­lich bei Rezensionen!

Wenn Kritik, dann immer mit einer Warnung vor­her: Diese Kritik kann Giftstoffe ent­hal­ten, die dem bespro­che­nen Buch und der Autorin viel­leicht nicht gut tun. Bei all­fäl­li­gen Nebenwirkungen, bit­te sofort bei der näch­sten Buchhändlerin oder dem Buchhändler vor­bei­schau­en und sel­ber ent­schei­den.

 

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