Überlasst die Last nicht dem Staat

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ensuite_149_Mai_titelVon Lukas Vogelsang - Für ein sozia­les System ist es wich­tig, dass die «Artenvielfalt» erhal­ten bleibt. Der Know-how-Verlust, den wir mit durch­sub­ven­tio­nier­ten Nestern bau­en, frisst uns auf. Unter dem Vorwand: «Es ist wich­tig und nötig» wer­den Projekte mit poli­ti­schen Einflüssen auf­ge­bauscht, die mit ein­fa­che­ren Mitteln, mehr Herzblut und Einsatz zu ganz ande­ren Dimensionen wach­sen könn­ten. Und wie über­all wird da, wo das Geld vor­han­den ist, die Hand etwas grös­ser, wel­che genährt wer­den muss, und es wird ange­nehm.

Wir müs­sen wie­der Scheitern ler­nen – Risiko ist kein Erfolgsmodell, son­dern kann zum Absturz füh­ren. Nicht alle kön­nen sie­gen. Man kann aller­dings ler­nen, den erhöh­ten Risikoanteilen ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ich für mei­nen Teil habe etwas Erfahrungen sam­meln kön­nen mit unse­rem Verlag: Scheitern will ich nicht kampf­los hin­neh­men und ich habe gelernt, ent­spre­chen­de Massnahmen und Entscheidungen zu tref­fen. Wichtig sind mir dabei Partner und Freunde, die mich unter­stüt­zen hel­fen. Und um genau­er zu sein: Ohne die­se Mithilfe wäre ich auch geschei­tert.

Wir stecken in einer schwie­ri­gen Zeit, ich höre aus mei­nem Umfeld, dass man­che sich ele­men­ta­re Fragen zur Lebenssituation stel­len. In Deutschalnd gibt es sogar eien natio­na­le Umfrage dazu. Man möch­te Veränderung, man will wei­ter­kom­men, man möch­te Ziele errei­chen, doch es scheint alles blockiert. Firmen kla­gen, dass sich das Verhalten von Konsumenten ver­än­dert hat und die bis­he­ri­gen Geschäftsmodelle nicht mehr gleich funk­tio­nie­ren. Die gewohn­ten Normen ver­än­dern sich. Und sofort wird gefor­dert, dass die öffent­li­che Hand das Risiko über­neh­men soll. Wie oft wird dadurch der «natür­li­che Wettbewerb» noch zusätz­lich durch unglei­che Voraussetzungen ent­stellt, so dass bereits Geschwächte auf­ge­ben müs­sen? Gleich lan­ge Spiesse – die sind nicht gege­ben, wenn sich die einen pro­fi­lie­ren kön­nen, weil sie sich unter­ord­nen und auf Befehl arbei­ten, und ande­re aus­ge­schlos­sen wer­den, weil sie inno­va­tiv sind, for­schen und das Risiko zu schei­tern ein­ge­hen. Finanziert und gesi­chert zu schei­tern ist nicht das Gleiche. Und das wird uns oft vor­ge­gau­kelt.

In Griechenland haben sich die Banken geret­tet und die Schulden dem Staat über­ge­ben. Super. So ist der Staat plötz­lich in der Risikosituation – ein sehr unge­wohn­tes Bild. Und ich mei­ne nicht, dass eben der Staat das Risiko tra­gen soll­te. Das wäre auch nicht kor­rekt. Eben: Wir soll­ten die Last nicht dem Staat über­ge­ben, son­dern wie­der mehr Selbstverantwortung über­neh­men ler­nen.

Dieses Thema beschäf­tigt mich, weil in der Kulturbranche das Gefälle unheim­lich gross gewor­den ist. Da wer­den Kinosäle sub­ven­tio­niert, ande­re gehen Pleite. Da kriegt jemand Geld für eine Produktion, die zwei­mal gezeigt wird, und eine ande­re Gruppe erhält nichts, hät­te aber 10 Engagements. Da gibt es geför­der­te Institutionen mit weni­gen BesucherInnen und pri­va­te Unternehmen, die auf­ge­ben müs­sen, weil sie die Baunormen nicht erfül­len kön­nen, die wegen den vie­len BesucherInnen zum Problem wer­den. Es ist die Willkür, die Mut macht oder den Mut nimmt. Mit einem Kulturbewusstsein hat das wenig zu tun. Wir täten gut dar­an, wie­der Inhalte in den Mittelpunkt zu brin­gen und dar­über zu reden.

In eige­ner Sache: Peter J. Betts, der ehe­ma­li­ge Kultursekretär der Stadt Bern, schreibt in die­ser Ausgabe sei­nen 100. Beitrag. Das ist nicht nur eine enor­me Leistung, son­dern es erfüllt mich per­sön­lich mit Stolz. Dieses Engagement ist nicht selbst­ver­ständ­lich, und ich habe gros­sen Respekt davor. Damit ist Peter J. Betts nicht allei­ne – vie­le AutorInnen sind dem ensuite seit vie­len Jahren treu – eben­so wie vie­le AbonnentInnen. Nächsten Monat pro­du­zie­ren wir die 150. Ausgabe. Auch dies ist eine Zahl, die mich beein­druckt – jedes Magazin ist ein Zeitdokument, ein Stück Geschichte. Was ensuite dies­be­züg­lich aus­zeich­net: Was wir pro­du­zie­ren wer­den Sie, lie­be LeserInnen, an kei­nem ande­ren Ort fin­den. ensuite ist garan­tiert das Gegenteil vom Mainstream, mit dem Sie täg­lich bom­bar­diert wer­den. ensuite ist inno­va­tiv, for­schend und sucht neue Wege, um Kultur in Ihren Alltag und in einen öffent­li­chen Dialog zu brin­gen. Keine Depechenagentur füt­tert uns, kei­ne VeranstalterInnen sagen, was wir zu tun haben, und wir sind kom­plett unab­hän­gig. Wir suchen alle Themen sel­ber, schrei­ben unse­re Geschichten und Recherchen, unse­re Entdeckungen und Tipps für Sie auf. Und dies bereits seit 13 Jahren – was uns zum gröss­ten und mitt­ler­wei­le natio­na­len Kulturmagazin auf­ge­baut hat. Es ist an mir, allen MitarbeiterInnen mei­nen gros­sen Dank aus­zu­spre­chen, und auch all den LeserInnen, die uns mit Ihrem Abonnement direkt unter­stüt­zen. Ebenso gehört mein Dank unse­ren (Werbe-) PartnerInnen, beson­ders der Druckerei Ast & Fischer in Wabern, all den KulturveranstalterInnen, GaleristInnen und Museen. Aus einer klei­nen Idee ist etwas Grossartiges gewach­sen.

Danke Peter J. Betts für Deinen Input, für den 100sten Beitrag (und vie­le wei­te­re). Du hast mich schon vor vie­len Jahren kul­tu­rell inspi­riert – und tust es auch heu­te noch.

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